7. Teil: Substantive

In der estnischen Sprache gibt es weder bestimmte noch unbestimmte
Artikel, Substantive werden außerdem stets klein geschrieben.

Einen Substantiv erkennt man unter anderem an Endungen wie
"-ja" - z. B. Personen wie "Õpetaja" (Lehrer)
"-nik" - z. B. Amtsträger wie "politseinik" (Polizist), ametnik (Beamter)
"-mine" - i. d. R. substantivierte Verben wie "mõtlemine" (das Denken)


In der Mehrzahl erhalten Substantive grundsätzlich eine "-d"-Endung.
Allerdings wird diese Endung an das ins Genitiv gebeugte Nomen ange-
hangen.

Beispiel Tür:

..........1. Fall (Nominativ): uks... 2. Fall (Genitiv): ukse
..........also wird das "-d" an "ukse" angehangen, so dass
.........."Türen" mit "uksed" übersetzt werden.

Somit empfiehlt es sich, Nomen mindestens in den ersten beiden Fällen
zu lernen, noch besser jedoch in den ersten drei Fällen, da diese die
Grundlage und entscheidend für alle anderen (11) Fälle sind.
Grundsätzlich wird das Substantiv in den ersten 3 Fällen an der Endung
erweitert (s. unten Beispiel: Tür).
Der Wortstamm eines Substantivs kann sich in den ersten drei Fällen
aber auch grundlegend ändern (s. unten Beispiel: Tür)

Beispiel:
  • Tür: 1. Fall: uks... 2. Fall: ukse...3. Fall: ust
  • Wasser: 1. Fall: vesi... 2. Fall: vee...3. Fall: vett
  • Buch: 1. Fall: raamat... 2. Fall: raamatu... 3. Fall: raamatut
  • z. B.: Ich lese ein Buch - ma loen raamatut
  • oder: ich trinke Wasser - ma joon vett

Es gibt auch eine Reihe von Substantiven, bei denen das Nomen im
2. und 3. Fall gleichermaßen gebeugt wird.

Beispiel:
  • Bus: 1. Fall: buss... 2. Fall: bussi... 3. Fall: bussi

Nun gibt es zwar noch weitere 11 Fälle. In diesen muss man das
Substantiv glücklicherweise nicht in weiteren Varianten lernen,
da jeder Fall eine eigene Endung hat und nur an das in den 2. Fall
gebeugte Nomen angehangen wird.

Beispiel:
  • mit Wasser: vee ("vesi" im 2. Fall) + ga ("mit", 14. Fall) = veega
  • ohne Wasser: vee ("vesi" im 2. Fall) + ta ("ohne", 13. Fall) = veeta

8. Teil: Adjektive


Adjektive erkennt man beispielsweise an Endungen wie
  • -line
  • -lik
  • -kas
  • -ne

Wie im Deutschen auch, werden vor einem Substantiv stehende
Adjektive gleichermaßen dekliniert - auch in der Mehrzahl.

Beispiele:
kleines Haus (kleine Häuser) - väike maja (väiksed majad)
neues Jahr (im neuen Jahr) - uus aasta (uuel aastal)

Im Gegensatz zur Deutschen Sprache verändert sich das Verb
bei der Bildung zum Adverb, indem ein "-lt" angehangen wird.

Beispiel:
gesunder Apfel - tervislik õun (Adjektiv)
ich ernähre mich gesund - ma toitun tervislikult (Adverb)


Die wichtigsten Adjektive

Farben:
  • rot - punane
  • orange - oranž
  • rosa - roosa
  • gelb - kollane
  • grün - roheline
  • türkis - türkiis
  • blau - sinine
  • azurblau - asuursinine, taevasinine
  • violett - violetne
  • lila - lilla
  • braun - pruun
  • anthrazit - antratsiit
  • schwarz - must
  • weiß - valge

Adjektive [+ Steigerungen] - algvõrre (keskvõrre ja ülivõrre):
  • groß - suur (suurem, kõige suurem oder suurim)
  • klein - väike (väiksem, kõige väiksem oder väikseim)
  • lang - pikk (pikem, kõige pikem oder pikim)
  • kurz - lühike (lühem, kõige lühem oder lühim)
  • hoch - kõrge (kõrgem, kõige kõrgem oder kõrgeim)
  • niedrig - madal (madalam, kõige madalam oder madalaim)
  • gut - hea (parem, kõige parem oder parim)
  • schlecht - halb (halvem, kõige halvem oder halvim)
  • weit - kauge (kaugem, kõige kaugem oder kaugeim)
  • nah - lähedal (lähemal, kõige lähemal)
  • voll - täis (täiem, kõige täiem)
  • leer - tühi (tühjem, kõige tühjem)
  • oft - tihti (tihemini oder tihedamini, kõige tihe(da)mini)
  • selten - harva (harvemini, kõige harvemini oder harvimini)
  • schnell - kiire (kiirem, kõige kiirem oder kiireim)
  • langsam - aeglane (aeglasem, kõige aeglasem oder aeglaseim)
  • hell - hele (heledam, kõige heledam oder heledaim)
  • dunkel - tume (tumedam, kõige tumedam oder tumedaim)
  • dunkel - pime (pimedam, kõige pimedam oder pimedaim)
  • nass - märg (märjem, kõige märjem)
  • feucht - niiske (niiskem, kõige niiskem oder niiskeim)
  • trocken - kuiv (kuivem, kõige kuivem oder kuivim)
  • laut - kõva (kõvem, kõige kõvem oder kõvim)
  • leise - vaikne (vaiksem, kõige vaiksem oder vaikseim)

9. Teil: Der Buchstabe "õ"


Der Erfinder des Buchstaben "Õ" war Otto Wilhelm Masing.
Er wurde am 8. 11.1763 in Tartumaa, Lohusuu vald (dieser Bezirk
gehört heute zum Ida-Virumaakond), als Sohn der deutschen
Adligen Anna Ludovica von Hildebrandtiga und des Kösters
Kristian Masicku.
Er ging in Narva zur Schule, anschließend auch in Deutschland
und studierte dort u. a. Theologie. Dort lernte er - zu seinen Mutter-
sprachen estnisch und deutsch - griechisch, italienisch, französisch,
russisch und Latein. Seine umfangreichen Sprachkenntnisse
nutzte er für Übersetzungstätigkeiten, mit denen er zeitweilig
seinen Lebensunterhalt bestritt.
1786 kehrte er nach Estland zurück.
In seinen zahlreichen schriftlichen Werken, die die estnische
Sprache in Schrift und Einheitlichkeit maßgeblich prägten, fand
sich die "Palatalisierung" und die "Dauern" wieder (1821 - 1825).
Seinem Ziel, eine Schriftsprache zu entwickeln, die die gesprochene
Sprache möglichst genau wiedergeben sollte, ist er durch die Ent-
wicklung des Buchstabens "Õ" einen entscheidenden Schritt näher-
gekommen.

Õ ist im estnischen Alphabet der 27. Buchstabe, ohne Fremdbuch-
staben offiziell der 24.
Diesen Buchstaben gab es natürlich schon vor Masings schriftlicher
Festlegung in der Sprache der Esten. Daher kann über den Ur-
sprung dieses Lautes nur noch spekuliert werden.
Sucht man im deutschsprachigen "Wikipedia" nach "estnisch", findet
man einen Artikel, in dem der Autor einen Ursprung von "õ" in der
russischen Sprache vermutet - abgeleitet vom russischen "ы".
Seine Vermutung sieht er darin untermauert, dass "õ" häufiger im
südlichen Estland auftaucht und auf der Insel Saaremaa überhaupt
nicht.
Dem könnte man allerdings entgegenhalten, dass Estland erst im
Jahre 1710 russisch wurde und vorher die deutsche, schwedische
und dänische Sprache die einheimische entscheidend mitprägte.
Das Argument, dass auf der Insel Saaremaa das "Õ" als "ö" ausge-
sprochen wird, könnte auch so gedeutet werden, dass dieses Gebiet
Schweden geographisch einfach am nächsten gelegen ist und der
Einfluss der schwedischen Sprache (hier: das Ö) somit am größten
war.
Es gibt Vermutungen, nach denen "Õ" vom Doppelvokal "OE" ab-
stammt. Auch heute - nach vielen Generationen noch - sprechen
manche Ältere zum Beispiel "võõras" (= fremd) als "võeras" aus.
Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass "Õ" innerhalb der est-
nischen Sprache "aus eigener Kraft" heraus entstanden ist.
Fakt ist, dass der Buchstabe bzw. der Laut "Õ" sehr alt in der
estnischen Sprache ist und weit zurückreicht - vermutlich bis zur
Zeit noch vor der russischen Annektierung 1710.
Raum für Spekulationen gibt es also noch...